Gedanken

Musikantenstadel im Bundestag [Glosse]

Logo Martin Krauß

Ab 2013 könnten die Bundestagdebatten für den normalen Bürger unterhaltsamer werden, denn dann ist Schluss mit gelangweilten Politikergesichtern in den Nachrichten. Statt trockener Zahlen wird dann erst einmal ein Volkslied angestimmt. Dirigent und Komponist Gotthilf Fischer wird mit der „Singenden Volkspartei“ (SVP) die fünf Prozenthürden knacken und in den Bundestag einziehen. Ihm folgen die Rentner, die sich über zu viel Bum-Bum-Musik im Fernsehen ärgern.

Wenn Per Steinbrück dann in der Wiederauflage der großen Koalition den Haushalt vorlegt, wird es keine Wortmeldung von Fischers Partei geben. Stattdessen stimmt seine Rentner-Fraktion geschlossen das Volkslied „Was frag ich viel nach Geld und Gut“ an. Bei einer Debatte über den Auslandseinsatz der Bundeswehr fragen die Weltkriegsveteranen: „Muß i denn, muß i denn zum Städele naus“.

Bei CDU und SPD sorgt dieser neue Tonfall für Verstimmungen, doch die „Singende Volkspartei“ schart schnell auch jüngere Wähler um sich. Alt-Bundespräsident Walter Scheel ermuntert die Politiker der beiden Volksparteien deswegen dazu selbst das Singen zu versuchen. Aus eigener Erfahrung weiß er, dass man damit Erfolg und Sympathie gewinnen kann. An seine Version von „Hoch auf dem gelben Wagen“ erinnern sich noch viele, die 1974 seinen Auftritt im ZDF gesehen haben.

Aus gut informierten Kreisen erfahren wir schließlich, dass Angela Merkel ihre Neujahrsansprachen künftig singend vortragen wird. Sie habe dazu extra Gesangsunterricht bei Dieter Bohlen genommen, der Jahre lang Erfolge mit Deutschland sucht den Superstar gefeiert hatte.

Doch Bohlen ist nach der Bundestagswahl 2013 aus der RTL Show ausgestiegen, als die Kölner frech geworden. Wegen sinkender Einschaltquoten hatte der Kölner Sender auf den Trend von Fischers Partei gesetzt. Neben Live-Übertragungen aus dem Bundestag, dürfen die DSDS Kandidaten in der neuen Staffel ausschließlich Volkslieder in deutscher Sprache singen. Der Beginn eines neuen Höhenflugs bei den Einschaltquoten des Senders.

Das hat auch Auswirkungen auf die Landtagswahl in Hessen, die im Dezember 2013 ansteht. Die SVP wird zweitstärkste Kraft und erreicht gemeinsam mit den Liberalen eine Regierungsmehrheit. Denn den Gesangsunterricht für die FDP-Fraktion nehmen die Abgeordneten gerne in Kauf, um an der Regierung zu bleiben.

Auch mit Fischers Ziel, eine Rentner-Quote in deutschen Unternehmen einzuführen, können die Abgeordneten leben. Da wird die Musik-Therapie für chronisch Kranke und Volksmusik als Schulfach glatt durchgewunken. Warum auch nicht? Haben die Politiker mit dem Erlernen von Fischers neuem Lied „Wir haben ein Recht auf Freude“ doch genug zu tun.


Als Vorlage für diese Glosse dienten: Gotthilf Fischer will mit eigener Partei in Bundestagswahlkampf und Schlager-Opa will Bushido die Wähler wegschunkeln