Kompass

Kompass: Arabischer Frühling in Ägypten – Die Vorgeschichte

Kompass (Stilisiert)

Die Proteste in Ägypten nahmen seit Tagen in ihrer Intensität zu, bis sie heute auf den Straßen der großen ägyptischen Städte eskalierten. In mehreren Beiträgen will ich daher die Entwicklungen in diesem Land noch einmal Revue passieren lassen. Im Beitrag „Arabischer Frühling in Ägypten – Die Vorgeschichte“ beginne ich mit den Parlamentswahlen Ende 2010:

01. Dezember 2010:

Die Parlamentswahlen begannen in Ägypten Ende November. Es gab jedoch bereits nach der ersten Wahlrunde Proteste über einen nicht einwandfreien Verlauf der Wahl, woraufhin die fundamentalistische Muslimbruderschaft und die liberale Wadf-Partei zum Boykott des zweiten Wahlgangs aufriefen.

In mehreren Städten gab es Proteste und Straßenkämpfe zwischen der Polizei und Demonstranten, wobei die Polizei mit Tränengas gegen die ihr gegenüberstehenden Menschenmassen vorging. In verschiedenen Medienberichten war von mindestens drei Toten die Rede, die bei gewaltsamen Zwischenfällen am Wahltag ums Leben gekommen seien.

12.Dezember 2010:

Bereits seit 29 Jahren hat Husni Mubarak das Amt des ägyptischen Präsidenten inne und den Aufstieg seines Sohnes Gamal habe er bereits gezielt vorbereitet. Spiegel Online, berichtete am 12. Dezember 2010 über den Nachfolger den von Mubarak favorisierten Nachfolger, Gamal Mubarak. Dieser habe im Jahr 200 seine Karriere als Investmentbanker in London beendet, um als Finanzberater seines Vaters und der ägyptischen Regierung in seine Heimat zurückzukehren.

Husni Mubarak sei schwer krank. Im Sommer 2010 hatten „israelische Nahost-Insider über eine fortgeschrittene Krebserkrankung berichtet“, heißt es in dem Spiegel-Online Artikel „Ägypten in Familienhand – Mubarak I. trommelt für Mubarak II.“ von Ulrike Putz. Mubaraks Kritiker werfen ihm den Medienberichten zufolge jedoch vor, dass er Ägypten auf eine Erbdynastie vorbereite.

Die Frage – „Wer beerbt Mubarak?“ – bleibt auch über die Weihnachtsfeiertage noch aktuell. ZDFonline meldete am 25.12.2010: „Eine Entscheidung, was nach Mubarak kommt, wird beim Parteikongress nicht erwartet.“ Es werde allerdings damit gerechnet, dass der Präsident ein Zeichen gebe, dass er bei den nächsten Wahlen noch einmal antrete. Als mögliche Nachfolgekandidaten werden in den Medien jedoch bereits Mubaraks Sohn Gamal, Mohammed el Baradei, sowie ein Kandidat aus den Reihen des Militärs gehandelt.

22. Dezember 2010:

Für die ägyptischen Christen zählen zudem die Vorfälle nach der Weihnachtsmesse im Jahr 2009, bei denen sechs Männer erschossen wurden, zu den bewegenden Erinnerungen dieser Wochen. In den Spannungen zwischen Christen und Muslimen in Ägypten spielten laut Safwot Youssef, dem Chefredakteur der koptischen Wochenzeitung „Das Vaterland“, Gerüchte eine große Rolle. Er sagte dem ZDF: „Das größte Problem ist, dass in Ägypten so viele Gerüchte kursieren. Sie sind es, welche die Stimmung anheizen und wegen denen es immer wieder zu Gewalt kommt.“ Es gebe laut Youssef eine Front zwischen der Kirche und der Regierung.

01. Januar 2011:

Gottesdienstbesucher verlassen das Gebäude. Fast 1000 Menschen haben an der Messe teilgenommen. Eine Bombe explodiert.

In der Neujahrsnacht sprengte sich ein Selbstmordattentäter vor einer großen koptischen Kirche in Alexandria in die Luft (1). Mindestens 21 Gläubige wurden laut einem Bericht auf tageschau.de mit in den Tod gerissen. Nach Angaben aus dem ägyptischen Gesundheitsministerium wurden bei dem Anschlag 43 Menschen verletzt. Bei dem Attentäter handele es sich Angaben der ägyptischen Polizei zufolge um einen „asiatisch aussehenden Mann„.

Präsident Mubarak rief daraufhin alle Ägypter – Christen und Muslime – dazu auf, sich gemeinsam gegen den Terrorismus zu stellen. Adel Labib, der Gouverneur von Alexandria, hatte nach dem Anschlag umgehend dem Terrornetzwerk Al Kaida die Schuld an der Tag gegeben. Beweise wurden dafür jedoch nicht vorgelegt.

Eine Gruppe junger koptische Christen lieferte sich nach dem Anschlag gewaltsame Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Spiegel-Online zitiert sie mit „Feige Terroristen – das Blut der Kopten ist nicht umsonst„. In dem Viertel, in dem der Anschlag durchgeführt wurde, warfen die Demonstranten Steine und Flaschen gegen die dort postierten Sicherheitskräfte.

Die Demonstranten seien wütend. Einer der Männer klagt gegenüber „tagessschau.de“: „Bei jedem Anschlag hat die Regierung versagt Christen zu schützen. Ich habe vier Menschen verloren, einer ist immer noch auf der Intensivstation. Wir haben eine Schwester am Samstag begraben. Aber ich habe keine Nachricht von meiner dritten Schwester und ihrer Tochter. Niemand weiß, wo sie sind.“(2)

6. Januar 2011:

Während in Europa und vielen westlichen Ländern das Weihnachtsfest im Dezember gefeiert wird, steht das Fest für die koptischen Christen am 6. Januar auf dem Kalender. Nach dem Anschlag in der Silvesternacht sind ägyptische Sicherheitskräfte um die Kirche in Alexandria postiert. In der Nähe der wichtigsten koptischen Kirche in Kairo sind zudem auf Sprengstoff trainierte Spürhunde, Polizisten und Metalldetektoren im Einsatz.

In der Zwischenzeit kam vom Terrornetzwerk al-Kaida eine konkrete Drohung an ägyptische und irakische Christen. „Sprengt die Kirchen in die Luft, während (die Kopten) Weihnachten feiern„, zitiert die Neue Züricher Zeitung aus einem Aufruf des Terrornetzwerks. In Ägypten leben insgesamt 80 Millionen Menschen. Rund zehn Prozent davon sind koptische Christen.

Dieser Beitrag wurde am 03.06.2011 überarbeitet und von „outofmessel.wordpress.com“ in das Weblog „nachrichtenkompass.wordpress.com“ und schließlich 2013 auf „blog.martinkrauss.eu“ übertragen.


 (1) Der Beitrag unter der URL „http://www.tagesschau.de/ausland/kairoanschlag100.html“ ist nicht mehr online verfügbar.

(2) Der Beitrag under der URL „http://www.tagesschau.de/ausland/alexandria148.html“ ist nicht mehr online verfügbar.

(aktualisiert am 17.07.2013, 14:31)