Greg Iles hat mit „Die Toten von Natchez“ einen Thriller vorgelegt, der vor allem eines ist: ziemlich lang. Auf 1.008 Seiten erzählt er die Handlung weniger Tage in der Stadt in Mississippi, USA. Das Buch ist nach „Natchez Burning“ bereits der zweite Akt im Kampf gegen Rassismus, Hass und Selbstjustiz im Süden der USA.
Der Thriller setzt gut 15 Minuten nach Band eins der Natchez-Trilogie des Autoren ein. Penn Cage, der Bürgermeister von Natchez, und seine Verlobte, die Chefredakteurin Caitlin Masters, sind einem Anschlag entkommen, hinter dem eine rassistische Organisation steckt. Die sogenannten Doppeladler treiben seit den sechziger Jahren ihr Unwesen – und sind noch immer gefährlich. Ihr Chef, Forrest Knox, ist ausgerechnet der Chef der State Police. Er will Penn und Caitlin aufhalten, Beweise für die Verbrechen der Doppeladler vorzulegen.
Wenn John F. Kennedys Mörder aus Natchez kommt
Soweit so gut: Würde Greg Iles nur diese Handlungsstränge in „Die Toten von Natchez“ verfolgen, wäre der Thriller ein gelungener Thriller, der alles mit sich bringt: Hochspannung, großartige Charaktere und tiefe Einblicke in die Abgründe unserer Gesellschaft. Doch Iles vergibt die Chance. Sein Werk wird langatmig, da er parallel zur Jagd auf die Doppeladler noch ein Team von FBI-Agenten in die Handlung integriert. FBI-Agenten, die auf der Jagd nach dem wahren Mörder von US-Präsident John F. Kennedy sind.
Steigerte Iles eben noch die Spannung in der Figurenkonstellation um Penn Cage und Caitlin Masters auf einen neuen Höhepunkt, folgt im nächsten Moment ein Kapitel, das der Spannung zähe Langatmigkeit entgegensetzt. In einer bemerkenswerten Detailtreue entwickelt Iles eine logisch klingende Theorie von dem echten Mörder des US-Präsidenten.
Greg Iles berichtet von historischen Figuren der US-Geschichte, verwebt sie mit seinen fiktiven Romanfiguren und spinnt das Netz einer großen Verschwörung. Ginge es hier um historische Tatsachen, würde „Die Toten von Natchez“ eine gewisse Bedeutung erlangen. Dann wäre der Kampf von Hauptfigur Penn Cage gegen die Doppeladler nur Verpackung. Das Problem: Iles präsentiert einen Präsidentenmörder, den er selbst erfunden hat. Er soll dem Roman eine historische Dimension geben, vernichtet aber das Grundelement eines Thrillers – die Spannung.
Kurzkritik: „Die Toten von Natchez“ ist ein dicker Wälzer, den man am Stück lesen sollte. Die vielen Figuren und Beziehungskonstellationen geraten sonst leicht aus dem Blick. Die Spannung des Romans ist immer wieder greifbar, wird aber durch fiktive Geschichtsstunden unterbrochen. Wer „Natchez Burning“ kennt, muss sich auf einige Rückblicke auf den ersten Akt der Trilogie von Greg Iles einstellen.
Das Buch:
Greg Iles: Die Toten von Natchez
Rütten & Loening, ISBN: 978-3-352-00665-4