Der Kritiker

Joanne K. Rowling zaubert weiter: 20 Jahre Harry Potter

Harry Potter und der Stein der Weisen - erschienen im Carlsen Verlag, Foto: Martin Krauß

Eltern, Lehrer und Verleger hatten die Hoffnung bereits aufgegeben. Bücher lesen, das war Ende der 90er-Jahre nicht gerade angesagt. Die Digitalisierung lockte: Videospiel-Konsolen und Computer öffneten das Tor in virtuelle Welten, in denen die eigene Fantasie weniger zählte als der geschickte Umgang mit dem Joystick. Doch dann veröffentlichte am 26. Juni 1997 der britische Buchverlag Bloomsbury das Erstlingswerk einer arbeitslosen, alleinerziehenden Mutter.

Die Erstauflage von „Harry Potter und der Stein der Weisen“ umfasste nur 500 Exemplare. Dass der Junge, der überlebte, überhaupt eine Chance bekam, ist dem Verleger Barry Cunningham zu verdanken. Jahre später schrieb Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling in eine handgeschriebene und illustrierte Ausgabe von „Die Märchen von Beedle dem Barden“ die Widmung: „Für Barry, den Mann, der daran geglaubt hat, dass sich ein zu langer Roman über einen jungen Zauberer mit Brille verkaufen könnte … Danke.“

Harry Potter und der Stein der Weisen, Cover: Carlsen Verlag
Hierzulande erschien der erste „Harry Potter“-Roman erst 1998. Der Carlsen Verlag hat die Serie um den britischen Zauberlehrling nach Deutschland gebracht. Band 1 trägt den Titel: „Harry Potter und der Stein der Weisen“. | Cover: Carlsen Verlag, ISBN: 978-3-551-35401-3

Da waren die sieben Bände der Saga um Hogwarts, die Schule für Hexerei und Zauberei, längst ein Welterfolg. Die Abenteuer wurden in 78 Sprachen übersetzt. Mehr als 450 Millionen Exemplare gingen weltweit über den Ladentisch. Angesichts dieser Zahlen ist kaum vorstellbar, dass Verlage die Harry-Potter-Autorin mit ihrem Werk einst abblitzen ließen.

2017 ist ein „Harry Potter“-Jahr

Rowling schaffte, wovon andere nicht zu träumen wagten. Fans der Buchreihe campierten am Erscheinungstag eines neuen Bandes vor den Buchläden, um Punkt Mitternacht den druckfrischen Roman in den Händen zu halten und drauf los zu schmökern. Auch Erwachsene griffen zu den Potter-Romanen über den Kampf zwischen Liebe und Machtgier, Harry Potter und Lord Voldemort. Damit ihnen die Lektüre nicht peinlich sein musste, brachte der deutsche Carlsen Verlag sogar Extraausgaben mit einem Cover für Erwachsene auf den Markt.

Manch einer wollte schließlich nicht mehr auf die deutsche Übersetzung warten – und griff lieber gleich zum englischsprachigen Original. Am 21. Juli 2007, vor knapp zehn Jahren, erschien dann der letzte Roman der Reihe. Doch Rowlings Magie lebte auch nach „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ weiter.

Das ist nicht zuletzt ihrem geschickten Marketing zu verdanken: Die Britin gilt als Meisterin der medialen Inszenierung. Die Marke „Harry Potter“ nutzt sie dabei auch für wohltätige Zwecke: Zwei Schulbücher aus der Romanreihe brachte Rowling als reale Werke auf den Markt – die Erlöse gingen an die Wohltätigkeitsorganisation Comic Relief. Für ihre eigene NGO „Lumos“ veröffentlichte sie die bereits erwähnten Zauberer-Märchen. Für wohltätige Zwecke wurden zudem exklusive Kurzgeschichten und sogar der Stuhl versteigert, auf dem sie vor zwanzig Jahren den ersten Harry Potter schrieb. Der Zauberlehrling blieb im Gespräch – und damit auch J.K. Rowling.

Auf die Online-Plattform folgt die Theaterbühne

Mit „Pottermore“ schuf sie zugleich eine Internetplattform, die von exklusiven Hintergrundinformationen und Geheimnissen über die Romanfiguren bis zum weltweiten Buchclub für Fans regelmäßig Potter-Neuigkeiten liefert. Dabei galt nach dem Abschluss der Romanreihe stets: Die Geschichte um Harry Potter selbst sei fertig erzählt.

Doch sag niemals nie: Was für James Bond galt, gilt auch für den bekanntesten britischen Zauberlehrling. Auf Basis einer Kurzgeschichte von Joanne K. Rowling, Jack Thorne und John Tiffany entstand das achte Harry-Potter-Abenteuer: Die Premiere des zweiteiligen Theaterstücks war 2016 in London. Es wurde gleich mit neun britischen Theaterpreisen ausgezeichnet. Das Manuskript dazu war hierzulande laut  GfK-Entertainment das meistverkaufte Buch des vergangenen Jahres. Ab April 2018 ist „Harry Potter und das verwunschene Kind“ dann auch am New Yorker Broadway zu sehen.

Ob es nach dem Theaterstück noch etwas Neues über Harry Potter zu lesen geben wird? Das weiß nur die Autorin selbst. Derzeit arbeitet sie an den Drehbüchern zur Vorgeschichte von Harry Potter. Auf Basis des von ihr veröffentlichten Schulbuches „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ erzählt Rowling vom Magie-Zoologen Newt Scamander. Der erste Film lief bereits im Kino – vier weitere sollen noch folgen. Für den nächsten Teil wurde von Warner Bros. die Rückkehr des Hogwarts-Schulleiters Albus Dumbledore angekündigt.

So ganz kommt Rowling von Harry Potter einfach nicht los – vielleicht auch, weil die Kritiker 2012 kein Erbarmen mit ihrem sozialkritischen Roman „Ein plötzlicher Todesfall“ kannten. Und: Wer glaubt, nach Harry Potter rissen sich die Verleger nur so um neue Werke der Autorin, liegt falsch. Unter dem Pseudonym Robert Galbraith veröffentlicht sie bis heute eine Detektiv-Romanreihe. Wie bereits vor zwanzig Jahren, lehnten Verleger aber auch dieses Mal ihr Manuskript erst einmal ab. Das gab Rowling selbst im vergangenen Jahr bekannt. Erfolgreich ist sie trotzdem damit geworden. Es sollen bei den „Cormoran Strike“-Romanen sogar mehr als sieben Bände werden. Die Fans warten derzeit auf den vierten Fall und die BBC macht aus den ersten drei Bänden derzeit eine Fernsehserie.

Rowling bezieht auf Twitter politisch Stellung

Neuigkeiten über ihre Projekte veröffentlicht Joanne K. Rowling auf Twitter. Dort bezieht sie auch zu tagesaktueller Weltpolitik Stellung – ihrer Linie aus den Harry-Potter-Romanen bleibt sie dabei treu. Toleranz, Gleichberechtigung und Nächstenliebe unterstützt sie. Gegen Rassismus und Abgrenzung kämpft sie an.

„Es ist, wie mit dem Hochzeitsgast verwandt zu sein, der auf die Torte gekotzt hat. Es tut uns wirklich leid“, kommentierte Joanne K. Rowling am 26. Juni 2016 den Ausgang des Brexit-Votums in Großbritannien auf ihrem Twitter-Account.

Rowling ist gegen den Brexit und setze sich via Twitter für Flüchtlinge ein. Über Donald Trump twitterte sie dagegen im Kontext seines Einreisestopps für Muslime: „Wie schrecklich. Voldemort war nicht annähernd so schlimm.“ Sie reagierte damit während des US-Wahlkampfs auf Berichte, die Trump mit dem Erzschurken ihrer Romanreihe gleichsetzen. Trumps Präsidentschaft begleitet sie auf ihrem Account seither kritisch.

„Harry Potter“-Ritual auf Twitter

Eingestreut zwischen all diesen Statements, kommt die Autorin regelmäßig dann aber doch auf die Harry-Potter-Reihe zurück. Etwa bei folgendem Ritual: Rowling entschuldigt sich anlässlich des Jahrestages der Schlacht von Hogwarts regelmäßig für den Tod einer ihrer Romanfiguren.

Der epische Kampf am Ende ihrer Fantasy-Buchreihe soll sich – in der Erzählzeit – am 2. Mai 1998 ereignet haben. Demnach steht 2018 ein weiteres Jubiläum für Potter-Fans an. Ap­ro­pos Erzählzeit: Da gibt es auch noch ein Ereignis am 1. September 2017. Was, ist im letzten Kapitel des siebten Harry-Potter-Romans zu lesen.

Hinweis

Der Artikel ist zuerst unter dem Titel „20 Jahre Harry Potter: J. K. Rowling zaubert weiter“ auf heute.de erschienen. Die Fassung hier in meinem Blog ist eine bearbeitete und erweiterte Fassung des ursprünglichen Artikels.