„Demut“ von Mats Olsson ist ein Cocktail. Das Rezept dazu lautet: Zwei Viertel „Fifty Shades of Grey“, ein Viertel schwedischer Thriller und ein Viertel Gesellschaftsroman. Einmal kräftig geschüttelt und nicht gerührt, dann kommt das 736 Seiten starke Machwerk heraus, das vom btb Verlag auf der Rückseite des Buchcovers mit „Absoluter Pageturner“ angepriesen wird. So lautet zumindest das aufgedruckte Zitat von Arbetarbladet. Leider schmeckt das Krimidebüt von Mats Olsson etwas fade. Das Eis ist geschmolzen, der Drink verwässert. Aber der Reihe nach.
Den Job bei der Zeitung hat er gekündigt. Doch Journalismus ist nicht nur ein Beruf, Journalismus ist eine Berufung. Nachdem Harry Svensson in einem Hotelzimmer die Leiche einer Frau neben einem gealterten und völlig betrunkenen Sänger gefunden hat, kann er sich nicht zurückhalten. Er muss diese Story über diesen Mörder schreiben. Sensationsgier.
Doch während er als freier Journalist ins Berufsleben zurückkehrt, merkt er nicht, dass er schon längst selbst Teil dieses Mordfalls geworden ist. Der Killer hat den Journalisten im Visier. Eine ganz spezielle Vorliebe verbindet die Beiden sogar. Das wird bei einer mysteriösen Mail klar, in der eine einzige Frage gestellt wird: Warum schreibst du nicht über Spanking?
Demut hat leider Schwächen
Der Plot klingt spannend, hat Potential und transportiert das Kernelement von „Fifty Shades of Grey“ in die aktuelle Thriller-Literatur. Doch „Demut“ von Mats Olsson hat leider Schwächen. Diese werden bei einem Vergleich deutlich. Ein schwedischer Thriller, in dem ein Journalist ermittelt, muss sich mit Stieg Larssons Millenium-Trilogie messen. Leider wird schnell klar, dass Mats Olssons Debüt da nicht mithalten kann. Während die drei Thriller von Larsson tatsächlich „absolute Pageturner“ waren, verzettelt Olsson sich in den Nebenhandlungen.
Hinzu kommt: Während Journalist Mikael Blomkvist bei Larsson als der moralisch Gute eine klare Identifikationsfigur, ja Heldenfigur, für den Leser bot, steckt Olssons Harry Svensson selbst im BDSM-Sumpf und handelt nur zu oft aus eigenen Interessen heraus. Er ist kein Held. Es ist nicht leicht, ihn zu mögen. „Demut“ macht es den Lesern nicht einfach, sich mit einer der Figuren zu identifizieren.
Bei Mats Olssons Hauptfigur tun sich Abgründe auf
Sicher zeigt Olssons Roman am Ende einen realistischeren Protagonisten als Larssons Blomkvist. Die Hauptfigur ist hier in „Demut“ eben nicht makellos. Sie hat Abgründe – und davon nicht zu knapp. Doch, um diese Abgründe zu schildern, braucht Olsson zu viel Raum. Immer wieder gerät im Mittelteil das eigentliche Ziel aus den Augen. Statt die Handlung voranzutreiben, wird der Leser etwa mit den Kindheitstagen des Journalisten konfrontiert. Er bekommt ausführlich geschildert, wie dieser zum Spanking-Fan wurde. Das dient zwar der Charakterzeichnung, spielt aber später in der Handlung keine Rolle mehr.
Olsson schweift immer wieder vom roten Faden ab, was schade ist, denn der Plot an sich und auch die Ouvertüre sowie das Finale sind durchaus gelungen. Wer keine Angst vor einigen Längen hat, wird mit „Demut“ einen lesbaren Thriller in der Hand halten. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, die Dialoge auf dem Punkt.
Olsson sollte für den nächsten Harry-Svensson-Roman jedoch noch daran feilen, den Leser atemlos in die Handlung hineinzuziehen, ihn an der entscheidenden Stelle zappeln zu lassen, nur um ihn dann wieder zum Umblättern und Weiterlesen zu zwingen. 150 Seiten weniger und der Cocktail „Demut“ wäre ein Feuerwerk für die Geschmacksknospen der Leser gewesen. Der Autor hat Potential, aber er muss seinen Drink liefern, bevor die Eiswürfel schmelzen und die Spannung verwässern.
Das Buch:
Mats Olsson: Demut
btb Verlag, ISBN: 978-3-442-71464-3
Paperback, erschienen am 27.02.2017