Der Kritiker

Die Schattenbucht: Und wenn es normale Menschen waren?

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Ohne ersichtlichen Grund springt eine 62-Jährige Bäckersfrau von ihrem Balkon. Sie überlebt, spricht jedoch kein Wort mehr. Psychologin Ina Bartholdy findet keine Erklärung für das Verhalten der Frau. Der Fall lässt sie jedoch nicht mehr los. Zugleich muss sich die Psychologin auch um den jugendlichen Christopher kümmern. Seine Mutter ist verschwunden. Der Junge weiß etwas, spricht jedoch nicht darüber. Doch eben diese Bürde belastet ihn. Als Ina anfängt zu recherchieren, entdeckt sie das Ungeheuerliche und die Schuld.

In seinem dritten Thriller hat Autor Eric Berg erneut die Psychologie des Menschen in den Mittelpunkt gestellt. Geschickt spielt er dabei mit der Frage: Wozu sind wir fähig, wenn wir einen Traum haben? Bergs Protagonisten sind dabei normale Menschen – Bäcker, Bibliothekare, IT-Fachleute. Eine Auswahl von Protagonisten, die das besondere des Romans ausmacht.

„Die Schattenbucht“ leidet unter Klischees

Die Schattenbucht von Eric Berg
Die Schattenbucht von Eric Berg, Cover: Limes Verlag

Aus der Literatur kennen wir psychopathische Serienmörder, wir kennen Mord aus Eifersucht, Mord aus Gier, Mord aus Rache. Egal ob als Buch, Kinofilm oder im Fernsehen – in Deutschland wird viel gemordet. Doch Eric Berg schaffte es in „Das Nebelhaus“ und „Das Küstengrab“, die Plattheit der deutschen Kriminalautorenbranche konsequent zu ignorieren. Seine Figuren wirkten authentisch und waren vielschichtig ausgearbeitet.

In „Die Schattenbucht“ ist Eric Berg das leider nur bei wenigen Figuren gelungen. Zu klischeehaft wirkt der Ehemann der Bäckersfrau. Zu tölpelhaft der junge Italiener aus der Pizzeria im Ort. Doch die Handlung ist raffiniert. Berg setzt erneut auf zwei Handlungsebenen. Da ist die Gegenwart in der die Psychologin Ina Bartholdy versucht, ihren beiden Patienten zu helfen. Da sind aber auch noch die Ereignisse 14 Monate zuvor. Mit zahlreichen Cliffhangern versehen verwebt Berg die Handlungsstränge, bis der Leser schließlich das Unvorstellbare den einzelnen Akteuren zutraut.

Und wenn es ganz normale Menschen waren?

Berg charakterisiert die einzelnen Charaktere mit ihren Träumen. Bei jedem geht es um die Frage, wie weit er bereit ist zu gehen, wenn er vor einem Abgrund steht. Dass dabei ganz normale Menschen – Menschen wie du und ich – zu einem Verbrechen fähig sind, diesen Überraschungsmoment vergibt Berg leider. In einem Vorwort stößt er seine Leser unnötig deutlich auf dieses Kernelement von „Die Schattenbucht“. Berg vergibt damit das Potential seines Thrillers.

Kurz: „Die Schattenbucht“ bleibt hinter den ersten beiden Thrillern von Eric Berg zurück. Dennoch ist „Die Schattenbucht“ raffiniert und übertrifft manchen Provinzkrimi deutlich.

Das Buch:
ERIC BERG: Die Schattenbucht
Limes Verlag, ISBN: 978-3-8090-2642-6