Der Kritiker

Verachtung, Machtmissbrauch, ein dänischer Thriller

Ein Skalpell auf einem weißen Tuch.

Im Sonderdezernat Q stoßen Carl Mørck und seine Assistenten Assad und Rose auf einen Vermisstenfall aus dem Jahr 1987. Recherchen ergeben, dass die vermisste Frau, Rita Nielsen, bei weitem nicht die Einzige war, die an diesem Tag verschwand.

Ein Skalpell auf einem weißen Tuch.
Ein Skalpell auf einem weißen Tuch. Foto: Martin Krauß

Das Team entdeckt, dass alle vermissten Personen etwas gemeinsam hatten. Sie alle kannten eine Frau, die ist vor Jahren in Not geraten ist, ausgenutzt und missbraucht wurde. Die Konfrontation mit der Vergangenheit löste in den 80ern ein schreckliches Verbrechen aus.

Jussi Adler Olsen: Verachtung

Adler Olsen inszeniert seinen Thriller „Verachtung“ vor dem Hintergrund, dass es wohl in jedem Land – im Roman in Dänemark – Menschen mit der Ideologie geben wird, die glauben eine Sorte von Menschen sei besser, als die andere. So lässt der dänische Autor die Sekretärin Rose im Roman auch sagen:

„Wir sind genau wie die, die untreue Frauen steinigen, oder wie die Nazis, die Geisteskranke und Schwerbehinderte umbrachten. Kann man die Einrichtung auf Sprogø mit den angeblichen Nervenheilanstalten für Dissidenten in der Sowjetunion vergleichen oder mit den sogenannten >Kinder-Gulags< in Rumänien?“

Sprogø ist eine Insel im Großen Belt zwischen den dänischen Inseln Fünen und Seeland. Dort gab es von 1922 bis 1961 ein Heim für sogenannte „unangepasste Mädchen“. Jussi Adler Olsen macht diesen Ort zum zentralen Angelpunkt der Geschehnisse in dem Mordfall seines Romans. In einem Dossier zum Buch „Verachtung“ wird der Hintergrund des real existierenden Heims weiter ausgeführt:

„Die Frauen, die auf Sprogø landeten, waren angeblich geisteskrank, widerspenstig, sexuell abartig und/oder Prostituierte. Auch waren einige wenige unverheiratete, schwangere Mädchen darunter. Sie alle erwarteten auf der Insel unmenschliche Strafen, angefangen bei der zeitlich unbestimmten Insel-Isolation bis hin zur Zwangssterilisation, die oft die einzige Möglichkeit war, die Insel doch noch wieder verlassen zu dürfen. […] Das wahre Ziel der Internierung war, die „Verbreitung schlechten Erbmaterials“ zu verhindern.“

(Quelle: Dossier „Kellersche Anstalten auf Sprogø, www.adler-olsen.de, S. 3)

Adler Olsen treibt die Entwicklungen in „Verachtung“ zügig voran, wobei der dänische Autor auf mehrere Erzählzeiten setzt. Einmal das Jahr 2010, in dem das Team um Carl Mørck ermittelt und auch auf die Hintermänner einer radikalen Organisation stößt, die in Dänemark ins Parlament einziehen wollen. Dann gibt es noch die Zeit Ende der 80er Jahre, in der eine Reihe von Personen verschwand. Ausgehend davon erzählt Olsen in Rückblicken die Vergangenheit der zentralen Figur des Romans, die Opfer wie auch Täter zu gleich ist.

Machtmissbrauch vom Feinsten

Das Hauptmotiv des Romans, lässt Adler Olsen nach gut einem Drittel der Geschichte die Sekretärin des Kommissars Carl Mørck vortragen: „Das ist einfach der übelste Machtmissbrauch, den man sich vorstellen kann!“ Ein Machtmissbrauch, der quer durch alle Schichten des dänischen Staates geht.

Jussi Adler Olsens „Verachtung“ ist keine leichte Kost. Sowohl physische, wie auch vor allem psychische Gewalt müssen vom Leser eingeordnet werden und sicher auch an einigen Stellen verdaut werden. Adler Olsen wird von manchen Kritikern als Nachfolger des schwedischen Autors Stieg Larsson gesehen. An Larsson reicht Olsen zwar bei der Zeichnung der Charaktere nicht ganz heran, wer auf der Suche nach einer ähnlich guten Thriller-Lektüre ist, darf bei der Reihe um das Sonderdezernat Q aber zugreifen.

Das Buch:

JUSSI ADLER OLSEN: VERACHTUNG
Deutscher Taschenbuch Verlag / dtv, ISBN: 978-3-423-19900-1