Kompass

Was uns bewegt!: Joachim Gauck folgt Christian Wulff

Kompass (Stilisiert)

Die überregionalen Printmedien hatten es in den vergangenen Tagen nicht leicht. Am vergangenen Donnerstag erreichte viele die Meldung, dass die Staatsanwaltschaft Hannover die Aufhebung der Immunität von Christian Wulff beantragt hat, nicht mehr rechtzeitig. Das brachte dann die Kuriosität mit sich, dass z.B. DIE WELT in ihrer gedruckten Ausgabe am Freitag keine Artikel zum Thema Wulff enthielt. In der ePaper-Ausgabe wurde das schließlich nachgeholt.

Ein ähnliches Bild ergab sich am vergangenen Montag (20.02.2012), als in der Print-Ausgabe noch mit „Mühsame Suche nach Wulff-Nachfolger“ getitelt wurde, während es in der ePaper-Ausgabe dann schon hieß „Joachim Gauck soll Bundespräsident werden“. Das zeigt, dass gerade bei solch entscheidenden und wichtigen Ereignissen der Online-Journalismus seine Berechtigung hat.

Arbeitsabläufe in Online-Redaktionen

Andreas Grieß studiert an der Hochschule Darmstadt Online-Journalismus und ist gerade in der Bearbeitungsphase seiner Diplomarbeit, die den Arbeitstitel „Arbeitsabläufe in deutschen Online-Redaktionen unter besonderer Berücksichtigung des jeweiligen Stammmediums“ trägt. Dafür hat er sich die Berichterstattung von sueddeutsche.de und tagesschau.de während der Berichterstattung zum Rücktritt von Christian Wulff genauer angeschaut. Seine Notizen geben einen interessanten Eindruck der Arbeit beider Online-Redaktionen.

Bundespräsident Wulff tritt zurück (1)

Über Christian Wulffs Rücktritt wurde jedoch nicht nur auf den Online-Portalen der großen Medien berichtet, auch Blogger analysierten den Rücktritt. Folgender Ausschnitt stammt von Kevin Schubert:

„Die vielen kleinen Affären um Wulff vertrugen sich vor allem nicht mit dessen Image. Der nette Politiker aus dem Schloss Bellevue wirkte stets freundlich, aufgeschlossen und volksnah. Wulff gab sich als der nette Schwiegersohn von nebenan, und das beste, er sah auch noch so aus.

Die Konfrontation des Saubermanns mit derart vielen Skandalen erschütterte sein Image sowie seine Glaubwürdigkeit gleichermaßen. Von einem anderen hätte man es erwarten können, aber doch nicht von Wulff. „

Joachim Gauck und das Zitate-Hickhack

Am Sonntagabend stand dann fest, dass Joachim Gauck der kommende Bundespräsident wird. Timo Niemeier analysierte daraufhin die Reaktionen der Twitternutzer und erklärte, warum die #notmypräsident – Fraktion unrecht hat. In seinem Blogbeitrag zeigt er: Die Aussagen, die Joachim Gauck vorgeworfen werden, wurden völlig aus dem Zusammenhang gerissen.

Was hat Gauck uns vorgegauckelt? (2)

Kevin Schubert hinterfragt derweil, was denn von der Hysterie zu halten ist, die plötzlich um sich greift. Nicht nur, dass der Kandidat bereits im Voraus durchleuchtet wird – die Medien versuchen nun auch noch eine neue Ost-West-Debatte und Katholiken versus Protestanten Debatte anzuheizen.

Kevin Schubert spricht dabei aus, was ich mir ebenfalls bei der Berichterstattung am Sonntagabend gedacht habe. – Danke, Kevin. Ich bin leider bisher nicht dazu gekommen das selbst zu bloggen. –

Soweit mein kurzes Round-Up zu diesem Thema. Spätestens zur Wahl am 18. März wird es an dieser Stelle wieder etwas von mir zu dem Thema geben.

Postdemokratie nach Colin Crouch

Bei all den Debatten um Christian Wulff und die Suche nach seinem Nachfolger musste ich immer wieder an den Begriff „Postdemokratie“ denken. Aber was war das doch gleich? – Auch ich musste das erst einmal wieder nachlesen. Ob der Begriff passt, muss jeder für sich entscheiden. Ich habe daher die Erklärung von Kim Zabel, Alina Steinhoff, Christof Heeb, Tom Neubert, Silas Sachs aus dem Projekt dlf50.org verlinkt.

Was ist Postdemokratie? [Audio]

Warum ich diese Frage nicht hier schon beantworte? Das erkennt man leicht beim Anhören des Audio-Beitrags von Tom Neubert und Christoph Heeb. Selbst die darin befragten Experten sind sich nämlich nicht einig, ob wir schon im Zeitalter der Postdemokratie leben.

Abschließend noch eine Bemerkung: Wie meine Twitter-Follower bereits mitbekommen hatten, war ich mit meinem Transkript von Christian Wulffs Rede am Freitag schneller online, als das Bundespräsidialamt. Auch bei Angela Merkel war ich rund 6 Minuten schneller, obwohl ich keinen Zugang zu beiden Manuskripten hatte. Ich habe mir die Reden mit dem Smartphone vom Fernseher mitgeschnitten und dann transkribiert.

Ursprünglich wollte ich die Transkripte nur dazu nutzen, um im Laufe des Tages einen zusammenfassenden Bericht zu schreiben, doch warum nicht das Quellenmaterial auch veröffentlichen? Die WordPress.com-Statistik hat für das Transkript von Christian Wulffs Rücktrittsrede nach der Veröffentlichung am Freitag in kürzester Zeit rund 190 Aufrufe gezählt. Bis heute sind es 229 generierte Klicks.

Wie seht ihr das? Sollten Journalisten bei solchen Ereignissen das Quellenmaterial bereitstellen, sobald es zur Verfügung steht und die Einordnung zu einem späteren Zeitpunkt dann nachreichen?


 (1) Der Beitrag unter der URL „http://kevinschubert.wordpress.com/2012/02/17/bundesprasident-wulff-tritt-zuruck/“ ist online nicht mehr erreichbar.

(2) Der Beitrag unter der URL „http://kevinschubert.wordpress.com/2012/02/21/was-hat-gauck-uns-vorgegauckelt/“ ist online nicht mehr erreichbar.

(aktualisiert: 17.07.2013, 15.09 Uhr)